Analyse
Angriff auf Bergkarabach
Aserbaidschan führt Krieg, weil es kann – die EU ist zum Zuschauen verdammt
© Aik Arutunyan / Imago Images
von Moritz Gathmann
19.09.2023, 18:12
4 Min.
Aserbaidschan greift das von Armeniern bevölkerte Bergkarabach an, die dort lebenden Menschen sollen offenbar vertrieben werden. Die EU kann nur zusehen – auch weil sie vom Gas aus Baku abhängig ist.
Seit dem Mittag des 19. September tut Aserbaidschan das, was in Europa offenbar inzwischen wieder zur Tagesordnung gehört: Es löst einen Konflikt mit Waffengewalt. Reich geworden mit dem Verkauf von Öl und Gas nach Europa, militärisch hochgerüstet von der Türkei und Israel, zerschlägt die aserbaidschanische Armee die Teile der Streitkräfte von Bergkarabach, die nach der ersten aserbaidschanischen Großoffensive 2020 noch übrig waren. Eine Boden-Offensive scheint zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht begonnen zu haben, jedoch verfügt die aserbaidschanische Armee nach der Zerschlagung der armenischen Raketenabwehr in dem Gebiet über die Lufthoheit.
Der Konflikt um die kleine Region auf aserbaidschanischen Staatsgebiet ist komplex: Traditionell von Armeniern bewohnt, machte sich das zu Sowjetzeiten autonome Gebiet in einem Krieg gegen Aserbaidschan 1988 unabhängig. In einem Krieg, der bis 1994 dauerte, besetzten die Armenier aber auch eine riesige Pufferzone rund um Bergkarabach und zerstörten von Aserbaidschanern bewohnte Städte wie Agdam. Die Rückholung der Gebiete gehörte in Aserbaidschan seitdem zur raison d’etre, der Hass auf die Armenier wurde von staatlicher Seite Jahr um Jahr genährt.
Friedensgespräche liefen immer wieder ins Leere, auch weil Armenien, überzeugt von der eigenen Stärke und sich unter Russlands Schutzschirm fühlend, kaum zu…