Wer selbst eine psychische Erkrankung hat, kann sich in die Probleme anderer Betroffener oft gut hineinversetzen. Ehemalige Patienten sind deshalb als Genesungsbegleiter gefragte Experten.
Schwere Depressionen, Jobverlust, Existenzängste – Julia Kistner hat einen langen Leidensweg hinter sich. Seit sie 15 ist, zieht sich ihre psychische Erkrankung wie ein roter Faden durch ihr Leben und hinderte sie zeitweise daran, zu arbeiten und soziale Beziehungen zu pflegen.
Heute kann Kistner dennoch mit einem positiven Blick auf diese Zeit schauen – denn aus dem vermeintlichen „Makel“ der Krankheit ist für sie eine neue Chance geworden: Als Genesungsbegleiterin hilft Kistner jetzt anderen Patientinnen und Patienten, mit psychischen Problemen umzugehen und ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu finden.
„Das, was immer gestört hat, wird jetzt zu etwas Wertvollem, weil ich die Erfahrungen, die ich mit Therapie und mit Klinik gemacht habe – die guten und die schlechten – jetzt weitergeben kann.“
Unterstützung in Gesprächen
In der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Uniklinikums Gießen und Marburg unterstützt Kistner Patienten in Beratungs- und Gruppengesprächen dabei, ihre jeweilige Diagnose anzunehmen, um mit der Zeit Perspektiven für sich entwickeln zu können. „In Würde zu sich stehen“ heißt das Programm – zentral geht es darum, die Teilnehmer in der Entscheidung zu begleiten, ob und wem sie ihre Diagnosen offenlegen möchten, und Stigmata zu überwinden.
Kistner kennt die Hürden, die dabei zu nehmen sind. Auch sie erlebte die Angst, sich ihrem Umfeld mitzuteilen aus Sorge, nicht mehr ernst genommen zu werden, als weniger wert und weniger leistungsfähig abgestempelt zu werden. „Das zieht man sich ja auch irgendwann selber…