Vor fast 120 Jahren erhob sich das Volk der Ovaherero gegen die Kolonialherrschaft des deutschen Kaiserreichs in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. General Lothar von Trotha ließ den Aufstand blutig niederschlagen und erließ den sogenannten „Vernichtungsbefehl“, der in die Geschichtsbücher als „Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts“ einging.

Der deutsche Regisseur Lars Kraume wagt mit seinem Spielfilm „Der vermessene Mensch“ erstmalig eine deutsche Aufarbeitung auf der Kinoleinwand. In seinem Film begibt sich ein junger Ethnologe aus Berlin auf eine Forschungsreise in die damalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika, um Schädel für die sogenannte Rassenforschung zu sammeln. Dabei wird er Zeuge des Genozids, den die „Deutsche Schutztruppe“, wie sie im Kaiserreich genannt wurde, zwischen 1904 und 1908 an den Stämmen der Ovaherero und Nama begeht. Doch er bleibt nicht nur Zeuge, sondern mutiert immer mehr zum Täter. Die Geschichte handelt vom „moralischen Verfall“ seiner Hauptfigur, meint Lars Kraume gegenüber der DW. Eine Erzählung aus Sicht der Ovaherero und Nama habe er sich als deutscher Regisseur nicht anmaßen wollen.

Regisseur Lars Kraume: „Diese Geschichte, obwohl sie 120 Jahre her ist, ist eine unverheilte Wunde.“

Film zeigt die „moralische Degeneration“ eines jungen Wissenschaftlers

Schon die erste Filmszene lässt erschauern. Berliner Wissenschaftler vermessen in einem Vorlesungssaal der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt Universität, Schädel von deutschen und afrikanischen Toten. Es wird eine pseudowissenschaftliche, evolutionistische Rassentheorie gelehrt, die auf der Prämisse beruht, dass der Schädel eines „Berliner Arbeiters“ größer sei, als derjenige eines afrikanischen „Buschmanns“. Diese Vergleiche sollen die damals – und darüber hinaus – vorherrschende Theorie, Deutsche seien intelligenter als Afrikaner, belegen. Kraume gelingt es, durch diese abstrusen Untersuchungen den damaligen Zeitgeist…