Soll Abtreibung erlaubt, beschränkt oder verboten sein? Für US-Präsident Biden war das Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht immer selbstverständlich. Nun versucht der gläubige Katholik, damit eine Wahl zu gewinnen.

Joe Biden zog 1973 in den Senat ein – in jenem Jahr, als das Oberste US-Gericht ein folgenreiches Abtreibungsurteil fällte.

Ein knappes halbes Jahrhundert später ist der Demokrat immer noch im politischen Geschäft, nun als Präsident. Und die Rechtsprechung von damals, die als «Roe gegen Wade» bekannt ist, droht zu kippen. Das wäre eine echte Zäsur für die USA. Für den gläubigen Katholiken Biden waren Schwangerschaftsabbrüche schon immer ein heikles Thema. In den vergangenen 50 Jahren hat er seine Haltung dazu dramatisch verändert: vom Gegner zum Vorkämpfer für «Roe gegen Wade». Könnte ihm die Auseinandersetzung um eine der moralischen Grundsatzfragen der Gesellschaft nun im Wahlkampf helfen? Er kann jeden Schub brauchen.

Tiefe ideologische Gräben

Bei kaum einem anderen Thema in den USA sind die ideologischen Gräben so tief wie beim Thema Abtreibung. Es gibt kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Abtreibungen sind aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Woche. Grundlage dafür ist jenes Urteil von 1973. Gegner versuchen die liberalen Regeln seit Jahrzehnten zu kippen. Und noch nie waren sie ihrem Ziel so nah wie heute.

Zu Wochenbeginn veröffentlichte das Magazin «Politico» den Entwurf einer Urteilsbegründung des Supreme Courts. Er zeigt, dass das Oberste US-Gericht kurz davor stehen dürfte, das liberale Abtreibungsrecht in den USA zu kippen. Die Folgen wären immens. Auch für den Präsidenten ist dies nun ein Moment, in dem es um viel geht.

Bidens Wandel

Rückblick: Im Juni 1974 veröffentlichte das…